Sehr geehrter Leser,

„unsere Mitarbeiter müssen mehr Eigeninitiative und -verantwortung zeigen“. Diese Aussage hört man seit einigen Jahren verstärkt von den Personalverantwortlichen in den Unternehmen. Zu Recht! Denn ohne Mitarbeiter, die hochmotiviert auch

• neue Herausforderungen und Aufgaben angehen und
• sich eigeninitiativ das hierfür nötige Wissen und Können aneignen,

können Unternehmen in der von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten VUCA-Welt die nötige Agilität und Flexibilität nicht entfalten.

Eine entsprechend große Rolle spielt heute das Thema Motivation außer bei der Personalauswahl auch in der Weiterbildung der Unternehmen. Doch leider wird hierbei das komplexe Thema Motivation oft auf das Thema Eigen- und Selbstmotivation, auch intrinsische Motivation genannt, verkürzt – und zwar insbesondere von den „Speakern“, die Unternehmen zuweilen als „Einpeitscher“ beispielsweise für Kick-offs engagieren.

Sie lassen bei ihren Motivationsvorträgen oft außer Acht, dass neben dem 

• „Wollen“ (Eigenmotivation, intrinsische Motivation) stets auch ein entsprechendes
• „Dürfen“ (Strukturen, Kultur) und
• „Können“ (Kompetenz) 

nötig ist, damit Mitarbeiter sich nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig mit ihren Aufgaben (und ihrem Arbeitgeber) identifizieren und diese hochmotiviert erfüllen.

Wird das komplexe Thema Motivation jedoch weitgehend auf das Thema „Wollen“ reduziert und fast ausschließlich an die Eigenmotivation der Mitarbeiter appelliert, dann werden die Unternehmen aus ihrer Mitverantwortung für die Motivation ihrer Mitarbeiter entlassen. Sie produzieren zudem Mitarbeiter, die irgendwann frustriert die Flinte ins Korn werfen und innerlich denken: „Die können mich mal.“

Auf diese Gefahr die Entscheider hinzuweisen, ist meines Erachtens eine wichtige Aufgabe jedes seriösen Unternehmensberaters – auch wenn die Botschaft „Ihr könnt nicht immer einseitig den ‚schwarzen Peter‘ den Mitarbeitern zuschieben, sondern müsst auch auf das ‚Dürfen‘ und ‚Können‘ der Mitarbeiter achten“ zuweilen nicht gern gehört wird.

Denn sonst besteht die Gefahr, dass die Führungskräfte in den Unternehmen irgendwann primär von Mitarbeitern umgeben sind, die ihnen zwar eine hohe Motivation – sei es gewisse Aufgaben zu erledigen oder zu lernen und sich zu verändern – vorgaukeln, sich faktisch aber bereits mental vom Unternehmen oder in den Ruhestand verabschiedet haben.

Ihr Dr. Albrecht Müllerschön

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