"Lügner haben lange Nasen und Angst" (Teil I)

15.02.2013
Ob in Verhandlungen, bei der Personalauswahl, bei Terminzusagen oder auch im Privaten fragen wir uns gelegentlich, ob unser Gegenüber die Wahrheit sagt. Obwohl Ehrlichkeit zu eines unserer fünf wichtigsten Werten gehört, fällt es uns schwer, Lügen zu entlarven. Deshalb stellt sich die Frage, woran wir diese erkennen?  Um es vorwegzunehmen: Es gibt nicht „die“ einzelnen Anzeichen der Lüge, sondern es ist immer ein Mix verschiedener Quellen, die uns auf eine Lüge hinweisen. Die wichtigsten Erkennungsindikatoren sind bei allen Lügen die Körpersprache. Lügner zeigen dann, wenn sie nicht die Wahrheit sagen eine plötzliche Verhaltensänderung. Und diese gilt es zu erkennen.  Wenn wir uns hier mit dem Wort Lügen beschäftigen, dann immer in dem Sinne, dass jemand bewusst etwas falsches sagt, um einen Vorteil zu erlangen, damit einen Fehler oder eine verbotene Handlung verdeckt oder z.B. damit einer Strafe zu entgehen.  Gelogen wird auch aus Angst, Scham oder Höflichkeit oder um eine andere Person zu schützen.  Insgesamt lassen sich verschiedene Prinzipien unterscheiden, anhand derer wir Lügner entlarven können. 
  1. Verhaltensänderungen
  2. Disharmonien 
  3. Stressanzeichen
  4. Verhaltenskontrolle
In diesem Artikel konzentriere ich mich auf die Verhaltensänderungen. (2.-4. Punkt siehe Artikel 2 im nächsten Newsletter) Die Voraussetzung zum erkennen einer Lüge ist das Erkennen des Normalverhaltens, der sogenannten Base-Line. Wir müssen wissen, wie sich eine Person normalerweise verhält (kalibrieren). Hierzu kann z.B. der Smalltalk am Beginn einer Verhandlung oder jedes andere unverfängliche Gespräch genutzt werden. Denn dies ist eine Situation, in der kaum gelogen wird.  Um sich immer wieder abzusichern und mögliche tatsächliche lügenbezogenen Verhaltensänderungen feststellen zu können, ist es sinnvoll, während eines Gespräches spontan zu völlig „problemlosen Themen“ zu wechseln. 

1. Verhaltensänderungen

Wir Menschen spüren in unserem tiefsten Inneren, ob jemand lügt oder die Wahrheit sagt.Insgesamt sind Gesten leichter zu durchschauen als die Mimik.  Inhaltlich sind Lügner schwer zu überführen. Dies ist zwar prinzipiell möglich, beansprucht jedoch meist zu viel Zeit. (siehe hierzu: Rolf Bender + Armin Nack – „Tatsachenfeststellung vor Gericht“) Wir konzentrieren uns hier nur auf die Körpersprache. Ein Beispiel dazu, welches uns allen vertraut ist, sind Reden in unserem Bundestag. Interessant dabei ist, dass unser Bundestag insgesamt zwar sehr transparent, das Rednerpult jedoch vorne verdeckt ist und es seltenst eine Kameraeinstellung gibt, in der die Redner von der Seite gezeigt werden. Warum wohl? Politiker wissen mit großer Sicherheit um die Aussagekraft ihrer unteren Gliedmaßen und verdecken oft auch in Fernsehdiskussionen ihre Beine und Füße unter einem Tisch. (Nicht so z.B. bei: Sandra Maischberger). Der Grund dabei ist, dass wir den Oberkörper recht gut im „Griff“ haben, nicht jedoch unsere Beine und Füße. Entscheidend sind plötzliche Verhaltensänderungen während eines Gespräches Diese Verhaltensänderungen treten z.B. immer nur dann auf, wenn über bestimmte Situationen oder Themen gesprochen wird. Kehrt man dann zu einem unverfänglichen Thema zurück, sind diese wieder verschwunden. Ein Themenwechsel ist auch deshalb sinnvoll, da es auch andere Gründe für eine Veränderung gibt. Z.B. weil das Thema für die Person unangenehm oder peinlich ist, weil sie Rückenprobleme hat oder ganz einfach auch nur deshalb, weil sie auf die Toilette muss. Verhaltensänderungen lassen sich in drei verschiedene Bereiche untergliedern: a.) Verhalten das vorher nicht zu beobachten war, taucht plötzlich auf (jemand bewegt sich auf dem Stuhl hin und her; spricht schneller; macht Pausen) b.) Ein bestimmtes Verhalten verschwindet während der Lüge (die Arme liegen nicht mehr auf dem Tisch; fasst die Unterlagen nicht mehr an) c.) Ein beobachtbares Verhalten verändert sich (die Stimme wird höher oder tiefer; hört auf zu lächeln und zeigt Pokerface. Im Einzelnen sind möglich:
  • Lügner zeigen oft folgende Gesten oder hören damit auf:
    Putz- und Kratzbewegungen wie:
    - sich am Hals kratzen
    - sich immer wieder ans Ohr fassen,
    - den Tisch oder die eigene Kleidung putzen
    - die Nase, den Mund oder das Ohrläppchen anfassen
    - sie reiben die Hände oder trommeln mit den Fingern
  • Sie runzeln die Stirn
  • Der Körper wird z.B. plötzlich angespannt
  • Sie lecken sich die Lippen
  • Können den Blickkontakt nicht halten (dieser Punkt ist umstritten. Da die meisten Menschen glauben, dass Lügner den Blickkontakt meiden, versuchten Lügner gerade diesen zu halten. 
  • Fakt ist jedoch, dass das Blinzeln während der Konzentration (Lüge wird konstruiert oder abrufen) abnimmt. Nach der Lüge ist für eine sehr kurze Zeit ein erhöhtes Blinzeln zu beobachten)
  • Nägel anschauen, beißen oder kauen
  • Sie verdecken den Mund oder die Augen mit der Hand
  • Sie kreuzen Beine oder Arme
  • Vermutlich am einfachsten entlarven wir Lügner wenn wir uns auf die Füße konzentrieren. Denn diese beginnen beim Lügen zu zappeln und sich vom Gesprächspartner abwenden bzw. sich in die Richtung zu bewegen, in der eine Fluchtmöglichkeit besteht. 
  • Diese kurze hin- und her Bewegungen zeigen, dass die Person Angst hat und demzufolge sich innerlich nur noch biologisch zwischen Flucht und Kampf entscheiden kann. 
Am bekanntesten ist wohl das Verhör von Bill Clinton zu seiner Affäre mit Monica Lewinsky. Hier hat sich Clinton 26 mal immer dann an die Nase gefasst, wenn er zu seinem sex. Verhältnis zu ihr gefragt wurde oder ob er mit ihr Sex hatte (N-TV online 20.09.2012). Demzufolge kommen Psychiater zu dem Schluss, dass er gelogen haben muss. Die Angst etwas falsches zu erzählen oder zu tun, führt bei den meisten dazu, dass sie versuchen Gestik zu vermeiden, so dass deshalb die oben angesprochenen Verhaltensänderungen (meist handelt es sich dabei um sogenannte Übersprungshandlungen) von besonderer Bedeutung sind. 

Die Augenbewegungen

  • Die Augenbewegungen lassen Rückschlüsse auf unser Denken zu. Denn diese bewegen sich in die Richtung, deren Hirnhälfte im Moment benutzt wird (diese Methode eignet sich recht gut für den Privatgebrauch, ist wissenschaftlich im Moment noch umstritten). 
  • Es ließ sich auch feststellen, dass Rechtshänder schwerpunktmäßig mit der linken und Linkshänder mit der rechten Gehirnhälfte denken, analysieren und konstruieren. Erinnerungen, Gefühle und Bilder befinden sich in der gegenüberliegenden Hirnhälfte. Dies hat zur Konsequenz, dass immer dann wenn jemand 
  • von Erinnerungen erzählt, die Augen beim Rechtshänder nach oben Rechts und beim 
  • Konstruieren (lügen) nach oben links schauen müssten. 
  • Konstruiert oder lügt jemand (die Augen gehen nach links), obwohl er z.B. von der Vergangenheit erzählt, ist dies mit hoher Sicherheit eine Lüge.
  • Erkennen lässt sich dies auch daran, dass z.B. Pokerspieler eine Sonnenbrille tragen.

Tipps

In Krimis wird oft die Konfrontationsmethode eingesetzt, um den Verdächtigen in die Ecke zu drängen. Diese Methode funktioniert im Fernsehen, nicht jedoch in der Praxis. Denn jeder der zu Unrecht beschuldigt wird, wird deutliche Verhaltensänderungen zeigen, obwohl er unschuldig ist und die Wahrheit sagt. Sinnvoll ist dagegen sogenannte Reflexfragen einzusetzen. Reflexfragen zielen darauf, eine Abweichung von der Baseline zu provozieren. Sie werden so formuliert, dass der Ehrliche nichts wiedererkennt (und sich deshalb sein Verhalten nicht verändert), der Lügner jedoch sofort Punkte heraushört, die nur er kennen kann und deshalb emotional betroffen, mit einer Verhaltensänderung reagiert. (der Begriff Reflexfragen wurde vermutlich im deutschen Sprachraum von Jack Nasher zum ersten Mal verwendet). Intuitiv verwenden viele Menschen diese Technik, in dem Sie etwas scheinbar völlig harmloses ansprechen und beobachten, wie der „Verdächtige“ reagiert.
Dabei handelt es sich um Fragen wie: Bewerbungsgespräch:
  • „Ich habe gehört, dass bei Berufsanfängern bis zu 84 % der Bewerber z.T. falsche Angaben in Ihren Unterlagen machen. Darf ich Sie fragen, welche Erfahrungen Sie diesbezüglich bei Ihren Kommilitonen machen?“
    Zeigt der Bewerber jetzt auffällige Verhaltensänderungen, ist dies ein Hinweis darauf, dass er selbst falsche Angaben gemacht hat. 
Verkäufer zum Kunden:
  • Der Kunde sagt z.B. „Ich habe auch noch andere Angebote“. Sie glauben ihm aber nicht.
    Darauf könnten Sie Antworten“„Darf ich Sie fragen, wie viele Vergleichsangebote Sie sich schicken lassen?“ Zeigt er jetzt Verhaltensänderungen, hat er vermutlich keines.
  • Auf die Aussage des Kunden: „Ich habe ein billigeres Angebot“, könnten Sie z.B. Fragen: „Darf ich Sie fragen, wie sich dieses Angebot inhaltlich von unserem unterscheidet“? Zeigt er jetzt Verhaltensänderungen, blufft er vermutlich nur.
Kollegin zu Kollegen: 
  • „Haben Sie auch gehört, dass wieder jemand privat eine Vielzahl von Kopien gemacht hat?“
  • „Ich habe eine Frage an Sie: „In meinem Bekanntenkreis habe ich einen Freund, der immer wieder lügt (stielt, denunziert), wie würden Sie denn damit umgehen?“
Im nächsten Newsletter erfahren Sie mehr hierzu. Dr. Albrecht Müllerschön

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