Die Resilienz, sprich Stress-Resistenz der Mitarbeiter erhöhen

22.09.2017

Die moderne Arbeitswelt ist von Veränderung geprägt. Deshalb müssen die Mitarbeiter der Unternehmen neue Aufgaben beherzt angehen und mit Stress-Situationen einigermaßen relaxt umgehen können. Sonst schlägt ihr Gefordert-sein schnell in ein Überfordert-sein um. Die Zahl der psychischen Erkrankungen von Arbeitnehmern steigt. Das belegen zahlreiche Studien. Als Hauptursache hierfür wird meist der erhöhte Stress am Arbeitsplatz identifiziert. Diese Diagnose trifft zum Teil zu – denn heute

  • müssen in vielen Betrieben weniger Arbeitnehmer dieselbe oder gar eine größere Arbeitsmenge als früher bewältigen und
  • ändern sich aufgrund des erhöhten Wettbewerbs und des rasanten technischen Fortschritts die Arbeitsanforderungen an die Mitarbeiter rasch.

Mit dieser Diagnose allein kommen Unternehmen beim Wahren und Fördern der Gesundheit ihrer Mitarbeiter aber allein nicht weit, denn in den veränderten Arbeitsanforderungen spiegeln sich auch Markterfordernisse wider. Zudem ist es sehr subjektiv, was eine Person als Stress erlebt. Denkt zum Beispiel ein Mitarbeiter, wenn er eine neue Aufgabe erhält „Toll, jetzt kann ich mich beweisen“, gerät eine anderer in Panik und ist überzeugt: „Das schaffe ich nie.“

Den Menschen als Ganzen im Blick haben

Solche individuellen Denk- und Verhaltensmuster spielen beim Stressempfinden eine wichtige Rolle. Und diese zeigen die Mitarbeiter außer am Arbeitsplatz auch zu Hause, denn sie ein Teil ihrer Persönlichkeit sind. Folglich lassen sich, wenn es um den Krankmacher „Stress“ geht, Berufliches und Privates nur schwer trennen. Deshalb kommen Unternehmen beim Versuch, beispielsweise eine Überlastung ihrer Mitarbeiter zu vermeiden, mit der klassischen betrieblichen Gesundheitsprävention, die sich primär auf das gesundheitsgerechte Gestalten der Arbeitsplätze konzentriert, allein nicht weit. Sie müssen den Menschen als Ganzen im Blick haben.

Work-life-Balance-Maßnahmen sind nicht genug

Das haben viele Unternehmen erkannt. Deshalb orientieren sich ihre Präventionskonzepte heute nur noch selten am klassischen Ziel der betrieblichen Gesundheitsförderung „Krankheit vermeiden“. Ihnen liegt vielmehr ein Präventionsansatz zugrunde, der sich an Zielen wie „Steigern der Vitalität und Lebensfreude“ und „mehr Selbstbestimmung über die eigenen Lebensumstände“ orientiert. Entsprechend boomten im vergangenen Jahrzehnt Maßnahmen zum Wahren der Work-life-Balance der Mitarbeiter – angefangen bei Stressmanagement-Seminaren bis hin zu Entspannungskursen. Zudem offerieren die Betriebe ihren Mitarbeitern heute mehr Möglichkeiten, ihre Arbeitszeiten flexibel zu gestalten. Auch Angebote wie eine Betreuung der Kinder oder Angebote zur Kurzzeitpflege von Angehörigen sind inzwischen bei (Groß-)Unternehmen nicht ungewöhnlich. Das alles sind zielführende Maßnahmen zum Aufrechterhalten der Lebensbalance und somit Leistungskraft der Mitarbeiter. Doch inzwischen erkennen immer mehr Unternehmen: Allein mit ihnen kommen wir nicht zum Ziel, denn die Faktoren, die bei unseren Mitarbeitern Stress auslösen, können wir nur bedingt beheben. So wäre es zum Beispiel eine Fiktion anzunehmen, dass der Wettbewerbs- und Veränderungsdruck, der auf den Unternehmen lastet, in den kommenden Jahren sinkt. Also wird auch die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter steigen – ebenso der Druck, sich neuen Herausforderungen zu stellen und eine große Verhaltensflexibilität zu zeigen. Deshalb müssen die Mitarbeiter künftig über die Kompetenz verfügen,

  • auch in Stresszeiten, wenn es beruflich oder privat mal heiß hergeht, ihre Lebensbalance zu bewahren, und
  • mit neuen Herausforderungen, vor denen sie beruflich oder privat stehen, produktiv umzugehen. 

Und beim Entwickeln dieser Fähigkeiten sollten die Unternehmen ihre Mitarbeiter unterstützen.

Die Resilienz, sprich Widerstandskraft erhöhen

Zu Hilfe kommt den Unternehmen dabei, dass man nicht nur im Betriebsalltag immer wieder registriert: Menschen reagieren auf dieselbe Belastung unterschiedlich. Während zum Beispiel Mitarbeiter Müller wegen der „stressigen Arbeitsbedingungen“ nach einiger Zeit einen Burn-out erleidet und für längere Zeit ausfällt, klagt sein Kollege Maier zwar auch ab und zu „Das ist ja ganz schön stressig“, doch dann macht er sich wieder beschwingt ans Werk. Warum dies so ist, damit beschäftigt sich die Resilienzforschung und kommt zum Schluss: Manche Menschen haben eine höhere „Widerstandsfähigkeit“ als andere Menschen. Sie haben, bildhaft gesprochen, eine „dickere Haut“, wenn es um den Umgang mit herausfordernden Situationen geht. Deshalb perlen Belastungen an ihnen scheinbar ab, während sie bei anderen zu einem permanenten Gefühl der Überforderung und -lastung führen. Wie können wir unsere Mitarbeiter dabei unterstützen, ihre Resilienz, also Widerstandskraft, zu erhöhen? Diese Frage stellen sich denn auch immer mehr Unternehmen. Und in vielen Betrieben wurden bereits erste Konzepte zur Förderung der Resilienz der Mitarbeiter realisiert.

Die acht Merkmale widerstandsfähiger Mitarbeiter

Sie basieren meist auf der Erkenntnis der Resilienzforschung, dass Menschen, die eine hohe Widerstandsfähigkeit haben, in der Regel über folgende acht Eigenschaften beziehungsweise Persönlichkeitsmerkmale verfügen:

  1. Positives Denken: Widerstandsfähige Menschen reagieren auf neue An- und Herausforderungen nicht panisch. Sie denken vielmehr: Irgendwie schaffe ich das schon – auch wenn ich noch nicht weiß wie.
  2. Selbstwertgefühl: Widerstandsfähige Menschen  glauben an sich und an das, was sie tun.
  3. Problemlösefähigkeit: Widerstandsfähige Menschen denken lösungsorientiert. Sie planen ihre Zukunft statt ihr besorgt entgegen zu blicken.
  4. Selbstverantwortung: Widerstandsfähige Menschen nehmen ihr Leben und Schicksal in die Hand. Sie lassen sich nicht in eine Opferrolle drängen.
  5. Selbstwirksamkeit: Widerstandsfähige Menschen akzeptieren (negative) Dinge und Umstände zunächst, so wie sie sind. Sie lassen diese aber nicht so, wie sie sind. Sie verändern sie.
  6. Soziale Kompetenz: Widerstandsfähige Menschen schotten sich bei Stress nicht ab. Sie bleiben im Dialog mit ihrer Umwelt und bitten bei Bedarf um Unterstützung oder organisieren sich die nötige Unterstützung.
  7. Achtsamkeit: Widerstandsfähige Menschen haben ein ausgeprägtes Gespür für sich selbst. Sie wissen, was ihnen (nicht) gut tut, und spüren, wann sie an ihre Belastungsgrenzen stoßen.
  8. Stressbewältigungsstrategien: Widerstandsfähige Menschen haben für sich Strategien entwickelt, um auch in Stresszeiten für die nötige Entspannung zu sorgen und, soweit möglich, die Balance in ihrem Leben zu wahren.

Resiliente Persönlichkeiten entwickeln

Die Resilienzforschung zeigt auch: Die genannten Fähigkeiten und Eigenschaften schlummern in fast allen Menschen. Ohne eine externe Unterstützung fällt es ihnen aber oft schwer, diese zu aktivieren. Denn dies setzt ein Bewusstsein darüber voraus: Wie reagiere ich regelmäßig in gewissen Situationen? Zum Beispiel bei neuen Herausforderungen? Oder wenn wichtige Entscheidungen anstehen? Außerdem: Warum reagiere ich so und nicht anders? Diese Fragen kann sich jeder Mensch zumindest theoretisch allein stellen. Doch faktisch tun dies viele Menschen nicht. Und wenn doch? Dann finden sie oft nicht die richtigen Antworten. Zum Beispiel, weil sie gar nicht registrieren, dass sie in vergleichbaren Situationen stets ähnlich reagieren. Oder weil ihnen ihr Verhalten als so selbstverständlich erscheint, dass sie sich nicht vorstellen können, anders zu reagieren. Deshalb offerieren Unternehmen, die ihre Mitarbeiter beim Steigern ihrer Resilienz unterstützen möchten, diesen oft nicht nur entsprechende Seminare; sie stellen ihnen (danach) häufig auch einen professionellen Sparringpartner, wie einen Coach, zur Seite. Er unterstützt sie dabei, ihre Denk- und Verhaltensmuster zu erkennen und gegebenenfalls zu verändern. Ein weiteres Ziel dieser Unterstützung ist es, die „Selbst-Achtsamkeit“ der Mitarbeiter zu erhöhen. Das heißt, ihre Sensibilität dafür soll erhöht werden, wann sie zum Beispiel aufgrund der Arbeitsmenge in eine Situation geraten, in der eine Überforderung droht. Denn dann können sie meist noch gegensteuern und sich zum Beispiel Hilfe (beispielsweise durch Kollegen oder Vorgesetzte) organisieren, so dass ein „Ausbrennen“ und somit Burn-out vermieden wird. Christina Seitter

Zur Autorin: Christina Seitter arbeitet als Trainerin und Beraterin für die Managementberatung Müllerschön, Starzeln bei Tübingen (www.muellerschoen-beratung.de). Sie ist auf die Themenfeld Personalauswahl und -entwicklung, Selbst- und Stressmanagement spezialisiert.


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