Mehr Respekt bitte!

18.06.2018

In vielen Betrieben ist der Umgangston rauer und teilweise sogar emotional verletzender geworden. Das wirkt sich negativ auf die Identifikation und Motivation der Mitarbeiter sowie – zumindest mittel- und langfristig – auf deren Leistung aus. Führungskräfte sollten einen wertschätzenden, von wechselseitigem Respekt geprägten Umgang mit ihren Mitarbeitern pflegen. Das wird in Führungsseminaren immer wieder betont. Doch im Arbeitsalltag spüren die Mitarbeiter oft wenig hiervon. In ihm herrscht nicht selten ein eher rauer Ton und selbst die einfachsten Benimm-Regeln, die im menschlichen Miteinander eigentlich gelten sollten, werden oft vergessen. Da geht zum Beispiel ein altgedienter Mitarbeiter nach 28 Dienstjahren in den Ruhestand, ohne dass zuvor mal ein Vorgesetzter vorbei schaute, ihm die Hand schüttelte und ein Wort des Dankes sagte. Da wird zum Beispiel eine hochqualifizierte und -engagierte Fachkraft, die in einem Meeting sachliche Bedenken gegen die Planungen ihres Vorgesetzten äußert, von diesem vor versammelter Mannschaft angeraunzt: „Wollen oder können Sie nicht?“ In beiden Fällen sind Sie hier fehl am Platz.“ Da erhält zum Beispiel eine Controllerin von ihrem Chef, der zwei Zimmer weiter sitzt, zehn Minuten vor Feierabend per Mail die Anweisung, sie müsse bis nächsten Morgen eine Präsentation vorbereiten, obwohl dieser weiß, dass sie ihr Kind pünktlich vom Hort abholen muss. Der Umgangston in den Unternehmen wurde rauer Die Reihe der Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Die Anekdoten aus dem Betriebsalltag, die man als Trainer in Seminaren hört, ergeben hierfür einen großen Fundus. Und regelmäßig hört man von den Teilnehmern: „Das Klima in unserem Betrieb hat sich eindeutig verschlechtert. Der Umgangston wird immer rauer.“ Das fängt bei den sogenannten mittleren Führungskräften an, die um ihre „Sandwich-Position“ als Mittler zwischen den „Chefs ganz oben“ und den „Werkern“ auf der operativen Ebene in vielen Unternehmen nicht zu beneiden sind. Denn sie bekommen die Nervosität und Hektik, die in den Chefetagen vieler Unternehmen herrscht, meist ganz unmittelbar zu spüren. Und da sie selbst unter einem enormen Druck stehen, geben sie diesen nicht selten ungefiltert an ihre Untergebenen weiter, wobei die Faustregel gilt: Der Umgangston wird umso rüder und rauer

  • je weiter man in der Unternehmenshierarchie nach unten kommt und
  • je einfacher die Mitarbeiter aufgrund ihrer (geringen) Qualifikation) von den Unternehmen durch andere Personen zu ersetzen wären.

Denn auch in vielen Unternehmen gilt: Den Letzten beißen die Hunde. Oder wie es ein Personalmanager mal eleganter formulierte: „Unsere Top-Führungskräfte und -Spezialisten hofieren wir, den Rest unserer Kernmannschaft pflegen wir. Und das Fußvolk? Das sourcen wir entweder aus oder wir minimieren die Kosten.“ Mitarbeiter mutieren zu Human-Kapital Schon lange gibt es denn auch in den meisten (größeren, als Holding strukturierten) Unternehmen nicht mehr ein Zusammengehörigkeitsgefühl, wie es sich früher in solchen Begriffen wie die Siemens- oder Bosch-Familie ausdrückte. Und in welchen Betrieben nennen sich die Mitarbeiter heute noch stolz wie früher zum Beispiel „Opelaner“? Nur in ganz, ganz wenigen Unternehmen ist dies noch der Fall! In viel mehr Unternehmen reagiert heute – obwohl in ihnen zunehmend eine bereichs- und funktionsübergreifende Team- und Projektarbeit praktiziert wird – das Einzelkämpfertum; zumindest wenn es hart auf hart kommt. Jeder ist, überspitzt formuliert, mit dem eigenen Überleben beschäftigt. Dies überrascht zum Teil. Denn die deutsche Wirtschaft  boomt seit circa einem Jahrzehnt. Und die Zahlen fast aller Unternehmen stimmen. Deshalb könnten die Verantwortlichen an der Spitze eigentlich relaxt sein und die Herausforderungen – vor denen ihre Unternehmen ohne Zweifel unter anderem aufgrund der Digitalisierung stehen – ganz entspannt sowie systematisch und strukturiert angehen. Das tun sie aber nicht. Stattdessen wird der Druck auf den „Kessel“, teils auch getrieben durch die immer unersättlicher werdenden Finanzmärkte, immer weiter erhöht, mit der Konsequenz, dass das Betriebsklima stets rauer wird. Zugleich wird jedoch betont: „Wir brauchen intrinsisch motivierte Mitarbeiter, die sich mit dem Unternehmen identifizieren und sich eigeninitiativ und -verantwortlich für das Erreichen der Ziele des Unternehmens engagieren.“ Doch woher sollen diese kommen, wenn die Mitarbeitern zugleich registrieren: „Wir sind eigentlich nur noch Human-Kapital, das je nach Bedarf auf- und abgebaut sowie eingesetzt wird.“ Wenn Mitarbeiter diesen Widerspruch spüren, dann gehen sie zu Recht emotional auf Distanz zum Unternehmen, und ihre Handlungsmaxime lautet ebenso wie bei den Kapitalgebern: Wie ziehe ich aus der Beziehung den höchsten Profit? Mitarbeiter müssen Wertschätzung und Respekt spüren Wenn in den offiziellen Verlautbarungen der Unternehmen immer wieder von individueller Wertschätzung und einem partnerschaftlichen, von Respekt geprägten Umgang gesprochen wird, dann müssen die Mitarbeiter dies im täglichen Miteinander auch spüren. Dann ist es schlicht ein No-go, dass ein altgedienter Mitarbeiter ohne ein Wort des Dankes in den Ruhestand entlassen wird. Denn dann denken alle verbleibenden Mitarbeiter: „Dieses Schicksal droht auch mir einmal.“ Dann ist ebenso ein No-go, dass eine Führungskraft, wenn eine Fachkraft in einem Meeting sachlich begründete Einwände gegen ihre Planung artikuliert, diese nicht ernst nimmt und zudem den Mitarbeiter vor versammelter Mannschaft maßregelt. Denn dann denken alle Anwesenden: „Ich halte künftig besser meinen Mund." Und dann ist es ebenso eine No-go, dass eine Führungskraft, wenn sie von einem Mitarbeiter kurzfristig Mehrarbeit und Überstunden erwartet, ihm dies einfach per Mail mitteilt statt sich vom Stuhl zu erheben und dies dem oder der Betroffenen persönlich zu sagen. Denn dann denken alle Mitarbeiter, die davon erfahren: „Meine bzw. unsere persönlichen Interessen, Ziele und Verpflichtungen interessieren hier offensichtlich niemand. Warum soll ich mich dann für das Unternehmen – mehr als es mir nützt – engagieren?“ Entsprechend reagieren die Mitarbeiter, wenn ihre Führungskraft, weil sie etwas möchte, plötzlich an das Wir appelliert. „Wir sollten ...“, „Wir wollen...“, „Wir müssen ...“ Dann sagen zwar alle mit den Lippen ja, und täuschen das gewünschte Engagement vor, doch faktisch denken Sie: „Und was habe ich davon? Die können mich mal.“ Auf die scheinbaren Kleinigkeiten achten Denken Sie als Führungskraft daran bei Ihrer Führungsarbeit: Wie viel Respekt und Wertschätzung Sie Ihren Mitarbeitern entgegen bringen, zeigt sich für diese in vielen (scheinbaren) Kleinigkeiten. Es zeigt sich unter anderem darin,

  • wieviel Zeit Sie sich für ihre Mitarbeiter nehmen und wie aufmerksam Sie ihnen zuhören,
  • wie kompromissbereit Sie bei Interessengegensätzen und Zielkonflikten zwischen Ihnen und Ihren Mitarbeitern sind, wie Sie auf Fehler und Versäumnisse von ihnen reagieren,
  • und, und, und....

Denn sonst ist die Gefahr groß, dass Sie irgendwann statt von Mitstreitern nur noch von Opportunisten, Ja-Sagern und Egoisten umgeben sind, die Engagement für die Bereichs- oder Unternehmensziele zwar heucheln, aber nicht zeigen. Dr. Albrecht Müllerschön


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