PowerPoint verhindert Lernen

04.07.2016
PowerPoint-Folien sehen oft super aus, werden bei Vorträgen gerne beeindruckend präsentiert, unterstützen jedoch das Lernen kaum. Deshalb sollte bei Vorträgen, aber auch Trainings oder Workshops schwerpunktmäßig anders gearbeitet werden. Nämlich gehirngerecht. Aber wie? Die digitale Welt ist praktisch, interessant, vereinfacht vieles, jedoch behindert es das Lernen. Vor allem, wenn es um das Aneignen von neuem Verhalten oder der Sozialkompetenz geht. Der Grund ist: Wir lernen anders und nehmen anders wahr als ein Computer. Schon vor über 20 Jahren hat diese Erkenntnis Vera F. Birkenbihl unter der Überschrift „Gehirngerechtes Lernen“ vertreten. Heute sind es renommierte Wissenschaftler wie Manfred Spitzer oder der Berater Bernd Heckmair, die sich mit dem Thema “Ganzheitliches Lernen“ intensiv beschäftigen. Gutes Lernen erfordert emotionales Lernen. Das heißt, dass beim Lernen immer Emotionen „mitlaufen“ und das Neue immer mit Gefühlen verarbeitet und an Bisheriges gekoppelt wird. Wir lernen ganzheitlich durch die Kombination von Bildern, Gerüchen, Tönen und haptischen Eindrücken. Und dies gelingt mit reiner, oft nur abstrakter Informationsvermittlung kaum oder gar nicht. Denn im Unterschied zum Computer, verarbeiten wir nicht nur Informationen sondern Erfahrungen. Das hat für Vorträge zur Konsequenz, dass Gefühle erzeugt werden müssen, bzw. die Inhalte durch „Beispiele“, „Beispiele“, „Beispiele“ aus dem Alltag der Zuhörer oder durch das Einbinden von Geschichten präsentiert werden sollten, damit die Zuhörer in die Situation bildlich und emotional eintauchen können. Es hat zur Konsequenz, dass nicht folienweise Texte, sondern wenige Bilder präsentiert werden sollten, die symbolisch für ein Thema stehen und zusätzlich, wenn auch nur als kleinsten Einlagen, irgendetwas praktisch gemacht werden sollte. Dies hat auch zur Konsequenz, dass sich die Zuhörer praktisch bzw. haptisch mit einer Sache auseinandersetzen müssen. Ein genialer Präsentierer war sicherlich Steve Jobs. Wenn seine Präsentationen analysiert werden, lässt sich ein einheitliches Muster entdecken. Dieses Muster entspricht exakt dem, was als gehirngerecht verstanden wird. Zusammengefasst handelte es sich bei ihm um folgendes Muster: 1. Professionelle Vorbereitung Steve Jobs hatte sich immer bis ins Detail vorbereitet und er hatte immer eine packende Geschichte, die keine Chance zum abschalten bot. Interessant ist, dass trotz seiner eingebauten Überraschungen, immer seine Geschichte im Zentrum stand und nicht seine Folien. 2. Klare, einfache und emotionale Botschaften Die Botschaften die er transportierte waren kurz, knapp und immer emotional und konnten mit wenigen Worten ausgedrückt werden. Und viele Präsentationen leiden darunter, dass sie keine klaren Botschaften transportieren und keine emotionalen Effekte eingebaut sind. 3. Nutzen darstellen und keine Probleme Menschen wollen keine Probleme, sondern Lösungen oder Vorteile hören. Und genau dies gelang ihm sehr gut. Auffallend war, dass er nie über technische Details redete. Grundsatz: Die Frage die sich auch dem Zuhörer bei einer Präsentation stellt, ist immer: Was bringt es mir? Es ist dem Kunden unwichtig, wie es technisch funktioniert. Der Kunde will Nutzen, wie Erleichterungen oder Kostenreduzierung. 4. Aufs Wesentliche konzentrieren Steve Jobs praktizierte das Grundprinzip: Weniger ist mehr! 5. Antagonisten/Gegenspieler einbauen Steve Jobs hatte immer einen Antagonisten, Widersacher oder Kontrahenten in seine Geschichten eingebaut. Dies muss nicht immer eine Person oder der Wettbewerb sein. Es kann auch ein Problem sein, das sich mit dem Inhalt Ihres Vortrages lösen lässt. Der psychologische Effekt ist, dass sich der Zuhörer mit dem „Helden“ (= Ihre Lösung) identifizieren kann. 6. Prägnante und anschauliche Folien verwenden Er hat Folien mit wenigen Worten verwendet (weniger als die oft empfohlenen 35 – 40 Wörter). Er hat mit Bildern gearbeitet und keine Aufzählungen verwendet. 7. Träume und Emotionen verkaufen, keine Produkte Steve Jobs hat keine Computer präsentiert, sondern er versprach eine bessere Welt. Er verkörperte und präsentierte Leidenschaft und Enthusiasmus. 8. Zahlen Bedeutung verleihen Zahlen sind nackt und kalt und lösen keine Emotionen aus. Jobs hat Zahlen in Relation gesetzt, so dass sie dadurch erst richtig zur Geltung kommen. Also nicht: 270 Millionen verkaufte iPods, sondern 270 Mio. iPods und das entsprich 75 % Weltmarktanteil. Grundprinzip: "Je größer die Zahl, desto wichtiger ist es, Analogien oder Vergleiche zu finden, die die Daten für die Zuhörer relevant machen." Also nicht. Die Studie zeigt, dass es 7.893 Vätern wichtig ist, Zeit für ihre Kinder zu haben. Sondern: Die Studie zeigt, dass es 7.893 Vätern, das sind 73 %, wichtig ist, Zeit für ihre Kinder zu haben. Nicht: Die Tagesproduktion unseres Zementwerkes beträgt 3.987 t. Sondern: Die Tagesproduktion unseres Zementwerkes beträgt 3.987 t. Das entspricht ca. 100 LKWs 9. Einfache und dynamische Sprache Steve Jobs hat sich an folgende Regel gehalten: „Eine einfache Sprache ist besser, als eine korrekte, die oft steif oder langweilig rüberkommt“. Gerade diese Regel hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und lässt sich daran erkennen, dass z.B. Politiker die Klartext und offen reden, eine höhere Akzeptanz haben, als die die rhetorisch gekonnt, Nullaussagen machen. Im beruflichen Kontext lässt sich die negative Variante an Kollegen oder Führungskräfte erkennen, die mit Fremdwörtern oder Anglizismen eine riesige Show machen, und damit auf Ablehnung stoßen. Was bedeutet dies aber für Ihre Vorträge? Das wichtigste Grundprinzip einer PowerPoint Präsentation ist: Reduzieren Sie Ihre Folien auf das Wesentliche. Verwenden Sie keine Animationen und keine fertigen, hochkomplexen Darstellungen. Alle Untersuchungen zeigen, dass bei Vorträgen das Flipchart bzw. die althergebrachte Tafel, das Lernen am besten unterstützt, da hier der Sachverhalt Schritt für Schritt entwickelt wird. Sie zeigen auch, dass die Lernergebnisse bei Folien, die „fertig“ präsentiert werden (nicht mehr entwickelt werden), sehr niedrig sind. Bei animierten Folien, kann von Lernen nicht mehr gesprochen werden. Tipps: 
  • Eine gute Präsentation ist eine zusammenhängende „Erzählung“ und keine Darstellung von einzelnen Folien oder Stichpunkten. Damit ermöglichen Sie es, dass im Zuhörer ein Film abläuft und er emotional in eine Situation eintauchen kann und so eine hohe emotionale Betroffenheit ausgelöst wird.
  • Bei einem guten Vortrag liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der mündlichen Darbietung. Die Folien oder Inhalte dienen zur Veranschaulichung oder zur Unterstützung des Gedächtnisses und veranschaulichen die Struktur. (Mein persönlich bester und spannendster Vortag ist den Erzählungen des Referenten zu verdanken und nicht seiner PowerPoint-Präsentation. Diese war unterirdisch schwach.)
  • Erzeugen Sie Bilder in den Köpfen Ihrer Zuhörer. Visualisieren Sie am besten mit symbolträchtigen Bildern oder verwenden Sie irgendwelche Gegenstände (Produkte, Bälle, Watte, Steine, …) die ihre Botschaften dreidimensional darstellen.
  • Folien sind einfach und verständlich. Nur so können sie intellektuell oder neuronal verarbeitet und gespeichert werden.
  • Benutzen Sie Flipchart, Tafel oder Pinnwand, so viel wie möglich
  • Verleihen Sie Ihren Zahlen eine hohe Bedeutung. Setzen Sie die Zahlen in Relation oder stellen Sie Vergleiche her. Nur so gelingt es dem Zuhörer die tatschliche Bedeutung nachzuvollziehen.
  • Arbeiten Sie mit der vierten Dimension. Bauen Sie möglichst viele Bewegungen ein. Machen Sie etwas vor, lassen Sie die Zuhörer etwas simulieren, werfen Sie z.B. einen Ball an die Wand, lassen Sie eine Tüte knallen, entwickeln Sie eine Flipchart usw. oder binden Sie die Zuhörer aktiv mit ein.
  • Bleiben Sie beim Thema. Jede Präsentation hat ein Thema (bzw. verschiedene Unterpunkte) und bleiben Sie immer an diesem. Schweifen Sie nicht ab.
Albrecht Müllerschön, Unternehmensberatung müllerschön Beispiele für gute FolienErgänzende LiteraturBernd Heckmair, z.B. Von der Hand zum Hirn und zurück: Bewegtes Lernen im Fokus der Hirnforschung Manfred Spitzer, in zahlreichen Büchern Garr, Reynolds, Zen oder die Kunst der Präsentation: Mit einfachen Ideen gestalten und präsentieren

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