Veränderungsmotivation: Die Bereitschaft und den Willen zur Veränderung fördern

06.03.2015

Weit über die Hälfte aller Veränderungsprojekte erreichen nicht die angestrebten Ziele. Einer der Hauptgründe ist der Widerstand der Mitarbeiter, der oft durch das Management verstärkt oder gar ausgelöst wird. Ausgelöst, durch ein wenig durchdachtes Konzept, durch einen unglücklichen Start des Changeprojektes bzw. durch eine unqualifizierte Kommunikation. Die entscheidende Frage ist bei jedem Veränderungsprojekt, egal ob es sich um einen Kulturwandel, einen Turnaround oder um ein Reengineeringprojekt handelt, wird der Change mit oder gegen die Mitarbeiter durchgeführt. Standardmäßig sind die Weichen auf Abwehr gestellt Die Motivationsfrage stellt sich bei jedem Veränderungsprojekt. Denn bei Veränderungen werden die Betroffenen fast immer auch mit negativen oder gar bedrohlichen Konsequenzen konfrontiert. Und diese stehen erst einmal im Zentrum jedes Einzelnen. Im Zentrum, da wir als Mensch, als wichtigstes Bedürfnis, versuchen Negatives von uns fern zu halten. Negatives kann die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust oder dem Verlust der Position sein, das Aufgeben zufriedener Arbeitsbeziehungen, die Veränderung von notwendigen Einstellungen oder auch nur das sich Aneignen neuer Verhaltensweisen. Und auch wenn des niemand gerne hört, wir als Mensch sind erst einmal Gewohnheitstiere. Während es bei Krisen relativ leicht ist, eine unfreiwillige, aber dennoch weitreichende Bereitschaft zur Veränderung zu wecken, ist dies in einer günstigen wirtschaftlichen Situation deutlich schwieriger. So werden dann Stimmen laut wie: „Uns geht es doch glänzend, was wollt Ihr denn (noch)?", „Wir in der Verwaltung sind doch von der Kurzarbeit nicht bedroht!“ oder „Das war bei uns schon immer so, dass es gute und schlechte Zeiten gab!“ Diese Aussagen machen deutlich, dass die Notwendigkeit vieler Veränderungsprojekte nicht gesehen wird und deshalb auch keine Motivation der Mitarbeiter zu erwarten ist. Wer kein Problem hat, braucht auch keine Lösung – an dieser simplen Gesetzmäßigkeit lässt sich auch durch Druck nichts ändern! Die entscheidende Frage ist, ob das Management und die Führungskräfte auf diese Unsicherheiten oder Ängste eingehen oder versuchen, dies zu bagatellisieren oder gar zu ignorieren. Die Notwendigkeit von Veränderungen ist wohl auch (fast) allen Firmen bewusst. Das Problem ist im Alltag jedoch oft, dass manche Entscheider nicht wissen wie der Veränderungsprozess eingeleitet werden soll (dies oft so im Mittelstand), er zu spät oder die Veränderungen falsch eingeleitet werden. Im Alltag ist das Problem auch oft, dass davon ausgegangen wird, dass es eine Phase der Veränderungen gibt und danach wieder Ruhe einkehrt und dann irgendwann die nächste Veränderungswelle rollen wird. Die hohe Dynamik heute setzt jedoch voraus, dass Veränderungen zum Alltag gehören und oft mehrere Changeprojekte parallel durchgeführt werden und der Zustand der Ruhe kaum noch kommen wird. John P. Kotter, einer der Gurus des Changemanagements, macht in seinem Buch „Leading Change“, die 8 Schritte des erfolgreichen Veränderungsmanagements deutlich. (Professor für Führungsmanagement an der Harvard Business School) Die von Kotter postulierten 8 Schritte im Veränderungsprozess verfolgen drei zentrale Ziele: Die Schritte 1-4 dienen dazu, den Status Quo fundamental in Frage zu stellen. Bei den Schritten 5-7 wird die neue Situation implementiert und beim Schritt 8 geht es um eine dauerhafte Verankerung des Wandels. 1. Leidensdruck: Die wichtigste Triebfeder für Veränderung Dringlichkeit erzeugen ist der erste wichtige Schritt, um eine Veränderungsbereitschaft bei den Mitarbeitern zu wecken. (Marktuntersuchungen, Wettbewerbsrealitäten erkennen, Identifizieren und Diskutieren der potenziellen Krisen und Möglichkeiten). Oft wird hier schon ein Fehler gemacht, da viele Manager glauben, dass deren Führungskräfte und Mitarbeiter mit nackten Zahlen zu überzeugen sind. Aber nur rationale Einsicht ist folgenlos. Wäre dem so, dann wäre unsere Welt sicher weit besser. Wir würden uns alle gesund ernähren, würden regelmäßig Sport machen, Schüler in der Schule fleißig lernen usw. Grundsatz: Wir verändern uns nur unter Druck oder durch Einsicht bzw. wegen der Hoffnung. Die Möglichkeit Druck zu machen, ist in Betrieben, vor allem in guten Zeiten recht gering. Dieser wird in Zeiten des Fachkräftemangels noch geringer. Da wir als Menschen in der Lage sind, Ereignisse zu antizipieren, und uns Bilder und Gefühle über die Zukunft machen zu können, spielt die Erwartung oder Befürchtung künftiger Nachteile für das Entstehen von Leidensdruck in der Regel eine größere Rolle als akutes „Leiden“. Doch Leidensdruck allein schafft keine Veränderung, was sich darin zeigt, dass jeder Mensch und auch viele Firmen zwar schon gelitten haben, aber selbst keine Möglichkeit sehen, diesen Zustand zu verändern. Damit Motivation zur Veränderung entsteht, muss der Leidensdruck durch eine positive Perspektive ergänzt werden. Erst wenn das Leiden von einer Idee herausgefordert wird, der Idee, dass es auch anders sein könnte und dass diese Änderung erreichbar ist, entsteht ein Gefühl der Hoffnung, und mit ihr die Energie zur Veränderung. Und bereits dies ist die Aufgabe des Top-Managements. 2. Ein schlagkräftiges und ein erkennbar entschlossenes Führungsteam zusammenstellen. Eine sorgfältige Projektteamzusammenstellung zahlt sich im weiteren Verlauf des Veränderungsprozesses positiv aus. Der Vorstand bzw. die Geschäftsführung haben die zentrale Schlüsselrolle für den Erfolg von Veränderungsprojekten. Der Erfolg hängt hier besonders davon ab, dass die oberste Managementebene einstimmig nach außen auftritt und das Vorhaben aktiv und emotional unterstützt und auch während des Projektes immer wieder einfordert. Widersprüche oder unterschiedliche und nicht geklärte Interessenskonflikte des Managements, lassen ein Projekt schnell scheitern. Fehlt es an der Unterstützung von oben, werden Veränderungsprojekte sicher “einschlafen“, bzw. die gesetzten Ziele werden nicht erreicht. Die beiden wichtigsten Aufgaben der Geschäftsleitung im Change Management sind deshalb, Sinn und Orientierung zu vermitteln und Krisen, Konflikte und Widerstände zu bewältigen. Dafür sind Entschiedenheit und Sensibilität, Beharrlichkeit und Konfliktbereitschaft erforderlich. Denn instinktiv spürt jeder Mitarbeiter, ob die Führung wirklich Führungswillen zeigt. 3. Ziele und Vision definieren und eine Strategie entwickeln. Eine verständliche Zieldefinition sowie eine für die Mitarbeiter nachvollziehbare Strategie und ein schlüssiges Konzept ist die Voraussetzung für Akzeptanz und Engagement und damit zur Steigerung der Motivation und zur Vermeidung von unnötigen Widerständen. Denn ohne verständlichen und erkennbaren „Sinn“ einer Maßnahme, gibt es keine Veränderungsmotivation. Bei vielen Changeprojekten wird der Fehler gemacht, dass der Sinn aus Sicht des Unternehmens gesehen und auch so argumentiert wird. Also was bringt es der Firma? Bei der verständlichen Zieldefinition und bei der Sinnfrage geht es aber um den Sinn für den Mitarbeiter. Es geht ganz konkret um die Frage: Was hat der Mitarbeiter davon? Was macht es für ihn für einen Sinn? Denn ohne Sinn wird kein verantwortungsvoller Mensch etwas tun. Ein verlässliches Ziel oder eine verlässliche Vision zu vermitteln, ist nicht nur eine Frage des guten Willens, sondern abhängig von der eigenen klaren Richtung. Das Top-Management schafft es nur dann, Sicherhit und Orientierung zu vermitteln, wenn es selbst weiß, wo es hinmöchte und wie es dort hinmöchte (Spielregeln). 4. Kommunikation: Für Verständnis und Akzeptanz werben.
Abgestimmte und zielgerichtete Kommunikation ist erforderlich (Konstante Kommunikation über verschiedenste Kanäle sicher stellen). Ist ein Change einmal angeschoben, das heißt, die Veränderungsnotwendigkeit ist erkannt und akzeptiert und das Zukunftsbild steht, verlieren das Management, aber auch andere verantwortliche Führungskräfte, leider oft schnell die Lust an der Kommunikation. Dies meist auf Grund einer Einstellung, die sich ausdrückt in: „Die Entscheidungen sind getroffen und die Verantwortlichen sind in ihre Aufgaben eingewiesen“. Was hier aber leider gleichzeitig passiert, ist, dass das Top-Management und auch viele Führungskräfte sich der Verantwortung für die Kommunikation entziehen bzw. sich deren Bedeutung im Changeprozess nicht bewusst sind. Die Kommunikation ist aber der zentrale Erfolgsfaktor einer Veränderung. Denn die Mitarbeiter müssen sich mit den eigenen Befürchtungen, Unsicherheiten und Ängsten jetzt konkret auseinandersetzen. Werden sie jetzt nicht immer wieder, auch persönlich unterstützt sondern in ihren Bedenken alleine gelassen, wächst der Widerstand und das Projekt scheitert. In dieser Phase gelten die alten Grundsätze: - „Gesagt ist nicht gehört; gehört ist nicht verstanden; verstanden ist nicht einverstanden; einverstanden heißt noch nicht, ich tue“. - „Einmal ist keinmal“. 5. Empowerment der Mitarbeiter - Handlungsfreiräume einräumen und sichern. Das Einräumen von Handlungsfreiräumen und Verantwortung signalisiert den Mitarbeitern, dass ihre Eigeninitiative und Beteiligung am Veränderungsprozess gewünscht ist. Denn nur durch das Einbinden der Mitarbeiter werden sie sich allmählich mit der Sache identifizieren und engagiert das Projekt vorantreiben. Gelingen wird dies jedoch nur dann, wenn die Iden, Konzepte etc. der Arbeitsgruppen auch tatsächlich umgesetzt werden und sie so Wertschätzung und Bedeutung erfahren und sich ernst genommen fühlen. Als reine Arbeitsbeschaffungsmethode ist dieses Vorgehen nicht zu empfehlen und wird sich während des Prozesses, schnell rächen. 6. Kurzfristige Erfolge sichern.  Kurzfristig sichtbar gemachte Etappenziele bestärken alle Beteiligten in der Umsetzung. Für den Erfolg eines Changeprojektes sind kurzfristige Erfolgserlebnisse notwendig. Denn nur so schaffen Sie es, die Motivation bis zum Erreichen der Ziele aufrecht zu erhalten. Unterstützen sollten Sie diese Phase dadurch, dass Sie hier positives Verhalten der Mitarbeiter belohnen und die aktiven und produktiven Unterstützer des Projektes hervorheben und Anerkennung zeigen. Dies hat zur Konsequenz, dass die Strategie berücksichtigen muss, dass besonders zu Beginn an den Stellschrauben gearbeitet werden muss, die schnell Erfolgserlebnisse ermöglichen und die Mitarbeiter die Veränderungen im Alltag bewusst erleben können und dadurch das Projekt zunehmend intensiver unterstützen. 7. Dranbleiben - nicht nachlassen. An dieser Stelle entscheidet sich, ob es gelingt, dem Veränderungsprozess eine Eigendynamik zu verleihen. Veränderungsprojekte, vor allem die ständige Kommunikation ist anstrengend und es gibt Phasen, in denen man den Eindruck hat, man tritt auf der Stelle. Diese z.T. mühseligen Fortschritte können ermüden und als Konsequenz geht das Engagement der Verantwortlichen zurück. Aber immer dann, wenn es schwer oder auch frustrierend ist, gilt es dran zu bleiben und dem Beharrungsvermögen der „Masse“ entgegenzuwirken. Zu bedenken ist, dass es bei jedem Veränderungsprojekt „Initiatoren“, „Aufgeschlossene“, „Abwartende“ und auch „Nachzügler“ gibt. Zur Konsequenz hat dies, dass selbst dann, wenn das Projekt bis hier gut verlief, es aber keine Unterstützung mehr erfährt, selbst die „Aufgeschlossenen“ über den „Entwicklungsstau“ oder vielleicht sogar über eine Rückentwicklung frustriert reagieren und somit allmählich selbst ehemals Motivierte „verloren“ gehen können. Deshalb spielt auch hier die Kommunikation, in der die bisherigen Erfolge deutlich gemacht werden, eine wichtige Rolle. 8. Eine neue Kultur entwickeln. Wenn es um die Veränderung von Gewohnheiten geht, bedeutet die Erreichung eines Ziels fast nichts. Denn Gewohnheiten sind so stark, das sie vor allem in Stress-Situationen schnell wieder auftauchen, da sie immer noch Sicherheit geben und einem leichter bzw. einfacher „von der Hand gehen“. -Diese Erfahrung hat jeder schon einmal gemacht. Es sind neue Verhaltensweisen wie: - Nach jahrelangem Tennisspielen macht jemand einen Tenniskurs. Während des Kurses gelingt das “Neue“ ganz gut, danach verfällt man schnell wieder in das alte Muster zurück. - Während eines Konflikttrainings funktioniert das „sachlich bleiben“ sehr gut, im Alltag ist man dann schnell wieder emotional und es ist, als ob das Training nichts gebracht hätte. Auch bei diesen Beispielen zeigt sich, dass nur dann, wenn wir unsere eigene Kultur, das heißt, unsere persönliche Einstellung ändern und wir permanent das „Neue“ üben, sich das neue Verhalten auch in schwierigen Situationen umsetzen lässt. Um eine Nachhaltigkeit in der Neuausrichtung nach einem Change zu erlangen und künftige Veränderungsprozesse erfolgreich zu gestalten, müssen auch Fragen der Führungs- und Unternehmenskultur betrachtet werden. Es ist notwendig, dass die Zusammenhänge zwischen dem unternehmerischen Erfolg und den „neuen“ Verhaltensweisen wiederholt deutlich gemacht werden muss. Tipps:

  • Reflektieren Sie ihr letztes Changeprojekt und prüfen Sie, welcher Schritt besonders professionell durchgeführt wurde und was genau den Erfolg ausgemacht hat.
  • Überprüfen Sie auch, warum und an welcher Stelle es haperte?
  • Falls Sie sich aktuell in einem schwierigen Changeprozess befinden, prüfen Sie, welche Schritte wenig professionell durchgeführt wurden, bzw. an welcher Stelle es besonders schwierig wurde. Gehen Sie dann im Prozess auf diese Stufe wieder zurück und setzen dort wieder ergänzend an. Es macht keinen Sinn, Projekte weiter nach vorne zu treiben, wenn im Vorfeld handwerkliche Fehler gemacht wurden.

Albrecht Müllerschön, Unternehmensberatung müllerschön


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