Zurück wieder ins Büro: Wie können Sie jetzt Ihre Mitarbeiter vorbereiten?

14.04.2020

Viele Beschäftigte kehren nun Schritt für Schritt vom Homeoffice zurück. Damit das Team und die Firma als Ganzes profitieren, macht es Sinn, sich mit einigen Themen auseinanderzusetzen und auch ein Lessons Learned durchzuführen.

Der Artikel ist in 4 Themenbereiche untergliedert. 
1.    Meine Mitarbeiter | Worauf es jetzt bei der Führung ankommt?
2.    Ich selbst | Welche Fragen sollte sich eine Führungskraft jetzt vor Wiederaufnahme des Normalbetriebes stellen? (Selbstreflektion) 
3.    Wir als Team | Wie wollen Sie mit Ihrem Team in Zukunft arbeiten? Gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern sollten Sie einige Punkte klären
4.    Wir als Firma | Welche organisatorische Maßnahmen sind jetzt sinnvoll oder gar nötig?

 

1. Meine Mitarbeiter | Worauf es jetzt bei der Führung ankommt

So schwierig es für den einen oder anderen war, mehrere Wochen im Homeoffice zu arbeiten, ist es jetzt für viele schwer vorstellbar, sich jeden Morgen wieder auf den Weg zur Arbeit zu machen und auch noch immer in der „Öffentlichkeit“ zu sein. Das Homeoffice bietet doch etliche Freiräume, so sozial isoliert man sich hier auch fühlen mag oder die Enge z.T. nervt.

Wenn Sie sich als Führungskraft bewusst machen, dass Sie Emotions-Manager sind, wird vieles bzgl. des notwendigen Führungsverhaltens deutlich.

Viele Gewohnheiten und Rituale, die sich die letzten Wochen in Ihrem Team entwickelt haben, werden oder sind wieder aufgelöst und mindestens unterbrochen. Jetzt könnte man die einfache Entscheidung treffen, „Weitermachen wie immer“, doch das wird nicht mehr möglich sein, wenn Sie ein leistungsfähiges und motiviertes Team haben möchten.

Vieles bei uns allen, bei Ihnen und bei den Mitarbeitern, hat sich die letzten Wochen verändert. Viel haben einen Change Prozess hinter sich oder sind mittendrinn, manche durchlaufen gar eine Transformation.

Wir Menschen waren oder sind emotional von der aktuellen Krise betroffen, manche haben Angst vor einer gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Bedrohung. Nicht nur für sich, sondern auch für die Familie, Freunde, Firma, Kollegen usw. Und diese Angst lässt sich nicht einfach wegschieben. 

Umfragen zeigen zwar, dass sehr viele Menschen keine Angst hätten sich anzustecken, was aber im Wiederspruch dazu steht, dass große Untersuchungen zeigen, dass sowohl der individuelle Stresspegel als auch depressive Verstimmungen deutlich zugenommen haben.

Auch wenn es vielen gelingt sich professionell zu verhalten, ist bei den meisten Menschen die Angst vorhanden. Aktuell zeigen Untersuchungen, dass ca. 65 % der Belegschaft von Angst und Stress geplagt sind und dass außerdem etliche z.T. deutliche depressive Verstimmungen haben.

Fast jeder Beschäftigte hat in den letzten Wochen, auch zu Gunsten der Firma, Opfer gebracht. Fast jeder hat die Erfahrung gemacht, dass etliche Dinge, die vorher nicht möglich oder nicht gewollt waren, plötzlich funktionieren oder jetzt sogar eingefordert werden.

Diese Erfahrungen erweitern den Horizont und die Erwartungen der Mitarbeiter an den Arbeitgeber verändern sich.

Kaum Rituale, Unsicherheit und Ängste und ein neues Selbstbewusstsein
der Mitarbeiter, erfordern von vielen Führungskräften ein
neues Mindset oder ein Umdenken!

Es braucht nun eine Klärung, wie die Zusammenarbeit zukünftig aussehen soll und worauf es dem Team ankommt. Darüber hinaus sollte gemeinsam reflektiert werden, was in der Zeit des Shutdowns gelernt wurde und wie diese Erfahrungen umgesetzt werden. Erfolgreich gelingt dies nur mit einer positiven und werteorientierten Führung.

Es braucht jetzt mehr als zuvor eine Führung, die den Kontakt der Führungskraft zu den Mitarbeitern ins Zentrum stellt. Ein Kontakt auf Augenhöhe, der weit entfernt von hierarchischen Entscheidungen ist.

Es braucht vor allem eine sensible Art auf die Mitarbeiter einzugehen, sie wahrzunehmen und zu erkennen, wie es ihnen geht, bzw. den Mut zu haben, direkt und interessiert nachzufragen.

Vermutlich wird es etliche Mitarbeiter geben, die jetzt gelernt haben, dass agiles Arbeiten richtig Spaß macht und dadurch ihre Lust am Arbeiten gestärkt wird. Deshalb kann man davon ausgehen, dass die Art und Weise des Umganges miteinander, ein zentrales Thema sein wird. Ganz besonders, was die Entscheidungskompetenz und die Macht der Hierarchie anbelangt.
Manche Mitarbeiter werden einfordern, dass sie selbständiger arbeiten und auch mehr Verantwortung übernehmen möchten. Etliche Führungskräfte werden dadurch jetzt gezwungen, ihre Führungsrolle neu zu denken. Denn Führungskräfte, die auf Kontrolle, Anwesenheit und lineares Arbeiten setzen, stellen spätestens jetzt fest, dass ihr Führungsstil überholt ist.

Mitarbeiter benötigen jetzt vor allem Führungskräfte die   

  • Zuhören, Anteilnahme zeigen und keine Selbstdarsteller
  • die ihre Mitarbeiter ernst nehmen und emotionale Anteilnahme zeigen
  • für Transparenz sorgen, in dem der Informationsfluss hoch ist
  • den Sinn der Aufgabe vermitteln können
  • den Mitarbeitern viele Freiheitsgrade bieten und vieles selbst entscheiden dürfen
  • einen direkten und schnellen Kontakt untereinander ermöglichen
  • Vertrauen ihren Mitarbeitern entgegenbringen
  • integer, glaubwürdig und ehrlich sind
  • ein wirkliches Vorbild sind
  • Feedback geben und klare Ziele haben und vermitteln

Es wird notwendig sein, einen Arbeitsprozess zuzulassen und gar einzufordern, der mehr an der Aufgabenstellung und Lösungssuche orientiert ist, und nicht an planbaren Prozessen, die Flexibilität, Spontanität und Innovation unmöglich machen. Agiles Denken und Handeln ist gefragt, weshalb Führungskräfte für sich selbst, oder durch ein Coaching klären sollten, welches Führungsverständnis sie in Zukunft haben möchten und ihnen selbst „gut tut“.

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Lesen Sie auch meine Artikel:

Die Eigenmotivation und -verantwortung der Mitarbeiter fördern

oder

8 Tipps für moderne Chefs (immer noch aktuell)


2. Ich selbst |Welche Fragen sollte sich eine Führungskraft jetzt vor Wiederaufnahme des Normalbetriebes stellen? (Selbstreflektion)

Um als Führungskraft integer und glaubwürdig zu sein, ist ein hohes Selbstbewusstsein nötig, das nur erreicht wird, wenn man sich immer wieder mit sich selbst und unterschiedlichsten „Lebensthemen“ auseinandersetzt. Das sind Themen wie: Eigene Werte (Was ist mir wichtig? Worauf kommt es mir an?), Veränderung der Gesellschaft, Beziehungen zu Kollegen etc.
Nur so entsteht Klarheit, die eine wichtige Voraussetzung ist, um eine klare Meinung und Haltung zu entwickeln und sich dies wiederum positiv auf die persönliche Wirkung (Ausstrahlung) auswirkt.

Was Sie auf keinen Fall tun sollten ist, einfach in den Aktionismus Modus verfallen und weitermachen, als ob nichts passiert wäre.

Deshalb empfehle ich Ihnen, sich mit mindestens folgenden Fragen auseinanderzusetzen.

  • Wie habe ich die letzten Wochen reagiert? Was hat bei mir Angst ausgelöst und wie habe ich darauf reagiert?
  • Wie habe ich in der schwierigen Zeit auf andere reagiert und wie habe ich andere wahrgenommen?
  • Was ist mir (wieder) bewusst geworden?
  • Was ist mir tatsächlich wichtig und welchen Preis bezahle ich für meine Art zu leben? Auf was verzichte ich in meinem Leben und wie wichtig ist mir dies „eigentlich“?
  • Was ist mir in meinem Leben ganz besonders wichtig und wie gut gelingt es mir, dieses in meinen Berufsalltag zu integrieren?
  • Was werde ich jetzt in meinem Leben anpacken und nicht mehr auf später verschieben?
  • Wie wichtig ist mir die Balance von Familie, Partner/in, Kinder, Freizeit, Freunde, Gesundheit und Job?
    (vermutlich wäre es meist schon ein Fortschritt, wenn die Balance von Familie, Freizeit und Job geklärt wäre)
  • Welche Situationen / Verhalten anderer ärgern mich und warum?
  • Was sind die Impulse, die mich von meinen Zielen immer wieder abbringen? Was ist für mich verführerisch?
  • Was hat sich in meinem Alltag verändert? Privat und im Job?
    Welche Bedeutung hat für mich im Moment der Job?
  • Wo sehe ich die Stärken und auch die Reibungspunkte in meiner eigenen Familie?
  • Was ist mir die letzten Wochen letztlich bewusst geworden?
  • Welche Beziehungs-bzw. Kooperations-Themen müssen privat und im Job geklärt werden?

3. Wir als Team | Wie wollen Sie mit Ihrem Team in Zukunft arbeiten?
Gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern sollten Sie jetzt klären:

Es ist notwendig mit den Mitarbeitern ein gemeinsames Verständnis der Zusammenarbeit zu haben. Deshalb empfehle ich Ihnen, gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern im Team folgende Themen anzusprechen und Entscheidungen zu treffen. So können alle von dem Shutdown profitieren.

Welche positiven Erfahrungen aus der Zeit im Homeoffice wollen wir fortsetzen?

Das könnten z.B. Themen sein wie:

  • Welche Entscheidungen könnten wir zukünftig eigenverantwortlicher treffen?
  • Wie war unser gegenseitiges Vertrauensverhältnis? Was war anders und wie könnten wir dies positiv fortsetzen?
  • Wie wichtig war die Regelkommunikation? Welche Routinen wollen wir fortsetzen?
  • Wie wollen wir uns in Zukunft bei Fehlern verhalten?
  • Wie wollen wir in Zukunft weiterhin für Transparenz sorgen?
  • Wie gehen wir mit Kritik um?

Auf welche negativen Erfahrungen aus der Zeit im Homeoffice wollen wir in Zukunft verzichten?

Das könnten z.B. Themen sein wie:

  • Wie können wir dafür sorgen, dass die Prozesse und Informationen transparent werden?
  • Könnten wir mehr zentral speichern, damit der Zugriff auf Dokumente für alle einfacher wird?
  • Wie könnten wir die sozialen Kontakte besser pflegen?
  • Wie wollen wir in Zukunft mit dem Thema Homeoffice umgehen? Entscheidet jeder wann er will oder soll es Regeln geben? (Wichtig ist, dass dies firmenübergreifend festgelegt wird)
  • Könnten wir die Räume so umgestalten (auch ggf. kostenneutral), dass dadurch die Kommunikation und die Zusammenarbeit insgesamt verbessert werden kann?

 

4. Wir als Firma | Welche organisatorische Maßnahmen sind jetzt sinnvoll oder gar nötig?

Hierzu bedarf es einer firmenübergreifenden Regelung und keiner Alleingänge. Hierbei können Mitarbeiter mit einbezogen werden; entscheidend ist dabei, dass es eine klare hierarchische Entscheidung gibt.

Dies sind zentrale Fragen wie:

  • Wieviel Mitarbeiter können max. im gesamten Gebäude auf welchen Etagen und in welchen Büros gleichzeitig arbeiten?
  • Welche Anzahl von Personen können jeweils in die verschiedenen Meetingräume?
  • Anzahl von Personen in der Café-Ecke und in der Kantine?
  • Wie gehen wir weiter mit der Hygiene um? Beim Betreten der Firma? Beim Eintreten in einen Meetingraum?
  • Soll es eine Clean-Desk-Politik geben?
  • Denken Sie daran, auch in der Firma lassen sich Video-Konferenzen durchführen.
  • Immer wieder ansprechen: Hygieneregeln wie Händewaschen, Masken benutzen und reinigen, regelmäßiges Reinigen der Schreibtische, der Tastaturen und der Telefone mit Desinfektionsmittel. Es muss eine Routine werden, sonst wird es nicht nachhaltig.

Da die aktuelle Situation zeigt, dass das Arbeiten in den letzten Wochen „agil“ gehen muss(te), um die emotionalen und komplexen Probleme schnell lösen zu können, empfehle ich Ihnen, diese Erfolgsmethode weiterhin anzuwenden. Achten Sie darauf, dass Sie nicht in ein hierarchisches - oder bürokratisches handeln zurückverfallen.

Seien Sie agil, wo es geht. Proaktiv denken, schnell handeln, direkt sein, iteratives Handeln zulassen (ausprobieren und wieder anpassen). Dadurch wird der Wissenstand immer wieder adaptiert und der Wirkungsgrad vergrößert.

Tipp: Versetzen Sie sich häufiger in die Rolle des Mitarbeiters, dann wird es leichter zu verstehen, was Mitarbeiter wollen. Ganz besonders empfehle ich Ihnen dabei, nicht nur an die Low Performer zu denken. Denken Sie an die Mehrheit. Sie will (fast) das Gleiche wie Sie!

Wenden Sie sich bei Fragen an: Dr. Albrecht Müllerschön – am@muellerschoen-beratung.de
Tel.: 07477 151 105


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