Wir brauchen Querdenker zur Transformation - Aber wo seid Ihr?

16.03.2020

Im Moment scheint es eine Welle zu geben, in der einerseits das „Angepasst sein“ unterstützt und gefördert wird, und gleichzeitig die Meinung, oft auch Wut und Enttäuschung, öffentlich im Netz zunimmt.

Anders sein, querzudenken und Dinge neue zu denken ist kurzfristig oft unbequem, passt nicht in dem Moment oder gefährdet möglicherweise den „Frieden und die Harmonie“. Das oft starke Bedürfnis alles im Griff zu haben, alles kontrollieren zu wollen, fördert gerade das angepasst sein.
Die die brav ihre Vorgaben erreichen, die die auf Ihren Bonus aus sind und von einem Bonussystem profitieren, werden die „Dinge“ wohl kaum in Frage stellen.
Kritisch sein und hinterfragen ist meist nur solange willkommen, solange das Grundsätzliche nicht in Frage gestellt wird. Viele Führen und verhalten sich zwar durchaus partizipativ, aber nur mit dem Ziel, das Bisherige zu optimieren.

Psychologisch lässt sich dieses Verhalten gut erklären. Wir entscheiden uns für das, was uns die Angst am meisten nimmt. Und dies ist meist, sich für das Gewohnte zu entscheiden. „Da weiß man, was auf einen zukommt und gibt einem oft (eine vermeintliche) Sicherheit.
Allerdings wird dadurch das Bisherige stabilisiert und alles wird dafür getan, Kreativität und Veränderungen unmöglich zu machen.

Wir Menschen denken und handeln, wenn es schwierig wird, schnell nach dem Prinzip: „Mehr desselben!“ Es wird meist nur verfeinert und prozessoptimiert, obwohl bei nüchterner Betrachtung oft ein gesamter Prozess oder System keinen Sinn mehr macht.

Um eine wirksame Transformation zu ermöglichen, müssen wir das „Neu-Denken“ oder das „Anders Denken“ ständig einfordern und üben. Denn ohne Querdenken und alles in Frage zu stellen, wird eine Transformation nicht möglich sein.

Wenn wir es nicht immer wieder üben, verlernen wir diese Art zu denken, da wir als Mensch, eigentlich das Gewohnte bevorzugen.

 

Um eine erfolgreiche Transformation zu ermöglichen, muss man sich selbst auch mit folgenden Fragen auseinandersetzen:

  • Inwieweit ertrage ich es selbst, andere abweichende oder auch unbequeme Meinungen zu äußern? Meinungen, für die der Widersand und die Kritik der Anderen schon eingebaut sind.
  • Halte ich es aus, wirklich auch gegen den Strom zu schwimmen? Nicht nur gegen den Strom zu schwimmen, sondern auch konstruktiv und partizipativ an neuen Lösungen zu arbeiten.
    Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie sicher sein können, dass die Nutznießer des Systems, die sich in ihrer Denke oder in ihrem Besitzstand bedroht fühlen, sich vehement wehren werden.
  • Wie wichtig ist es mir, „dazu zu gehören?“ Wie wichtig das dazu gehören ist, lässt sich sehr gut daran erkennen, dass man z.B. auf Mitarbeiter Druck macht, in dem man sie ausgrenzt bzw. zu verstehen gibt, dass wenn sie sich oder Ihre Meinung nicht ändern, sie dann ausgegrenzt werden.
  • Wie offen sind sie tatsächlich, für neue, abweichende Ideen, auch wenn es für Sie im ersten Moment ggf. unbequem ist?
  • Reflektieren Sie sich zu folgendem Punkt: Schnell sind wir dabei, uns selbst als tolerant zu bezeichnen. Ja das sind wir, solange das Abweichende noch irgendwie zu unserem Gewohnten oder zu unseren Interessen passen.
    Wie sieht dies bei Ihnen persönlich aus?

 

Querdenker lassen sich nicht steuern und kontrollieren. Ihr Stärke ist es, genau dies nicht zu tun, und nicht nur dann, wenn es einem gerade passt. Sondern immer und immer wieder.
Deshalb werden sie gern als Sonderlinge gesehen und ausgegrenzt.

 

Wie schwierig es ist, Gewohntes oder Bequemes in Frage zu stellen, lässt sich auch sehr gut daran erkennen, wie wir in unserer Gesellschaft mit unbequemen Menschen, mit Menschen die eine deutlich andere Meinung oder Idee haben, umgehen.
Es sind z.B. die sogenannten Abweichler in einer Partei oder z.B. Wissenschaftler, die unbequeme Wahrheiten aufzeigen, und mit Ausgrenzung „bestraft“ werden.

Machen Sie sich bewusst, dass Mitarbeiter aller Ebenen schnell spüren, wenn der propagierte Wunsch nach Querdenken oder nach unbequemen Meinungen, nicht ernst gemeint ist. Ganz nach dem Grundsatz:

„Wasch mich, aber mach mich nicht nass“!
„Querdenker die den Betrieb stören, kann man nicht gebrauchen!“ (tatsächlich?)

 

Unsere Erfahrungen sind, dass viele Mitarbeiter und Führungskräfte glauben, dass sie agil und auf dem besten Weg wären, die Transformation voranzutreiben. Das stimmt, meist aber leider nur punktuell. Es trifft auf einige Abteilungen oder Teams zu.
Aussagen wie: „Wir führen jetzt agil und meine Mitarbeiter können jetzt die meisten Entscheidungen selbst treffen, zeigen, dass es dieses Team nicht ist.  
Für solch eine Praxis braucht es keine neue Denke. Das war die letzten Jahre immer schon so.

 

Entscheidend ist, ob sich die Agilität und die Transformation auf die gesamte Organisation überträgt und ob die Prozesse und vor allem die Strukturen und die Hierarchien hinterfragt, verändert oder gar ganz eliminiert werden.

Der Alltag sieht leider oft noch so aus, dass Mitarbeiter nicht einmal gefragt oder gehört werden oder nicht in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, weil sie nicht studiert haben, weil sie zu wenig Erfahrung haben, weil sie nicht einer bestimmte Hierarchieebene angehören, weil sie zu jung oder zu alt sind. Gründe dafür gibt es genug.

Vor allem von oberen Führungskräften und Managern wird erwartet, dass sie im herkömmlichen Sinne funktionieren und linientreu sind. Sind sie (zu) kritisch, sind sie schnell dem Verdacht ausgesetzt, nicht mehr loyal der Firma gegenüber zu sein. Andere spüren dies und führt als Folge auf allen Ebenen dazu, dass niemand den Mut hat, eine abweichende Meinung zu haben, oder gar eine völlig quere Idee zu artikulieren, aus Angst vor der Kritik und den emotionalen Sanktionen.

 

Ohne Vertrauen geht nichts

Eine der wesentlichsten Voraussetzungen des agilen Führens bzw. der Transformationen ist eine tiefe Vertrauenskultur. Denn nur wenn wir Vertrauen in die Mitarbeiter, Kollegen und Führungskräfte haben, kann das kritische Hinterfragen und die persönliche Entscheidung einzelner Personen als positiven und wertvollen Beitrag gesehen werden.
Misstrauen führt zum Gegenteil. Misstrauen führt zu einer Kontroll-Kultur und zu einem linienkonformen Verhalten der Mitarbeiter und Führungskräfte. Bei solch einer Kultur wird das oberste Ziel sein, Fehler zu vermeiden. Querdenken, neu Denken, experimentieren und die Bereitschaft eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen, werden dadurch massiv behindert.

 

Dr. Abrecht Müllerschön, managementberatung müllerschön, https://www.muellerschoen-beratung.de/


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